Bonner Migrationsberatungsstellen fordern uneingeschränkten Erhalt des Beratungsangebots
Die Migrationsberatungsstellen in Bonn haben anlässlich des bundesweiten Aktionstags der Migrationsberatungsstellen am 13. September 2023 ihre Forderungen für den Erhalt der Beratungsstrukturen für erwachsene Zugewanderte unterstrichen. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2024 sieht hier Kürzungen von 30 % vor und würde damit die Tätigkeit der Migrationsberatung massiv gefährden. Die Veranstaltung im Haus Mondial des Caritasverbandes für die Stadt Bonn e.V. bot Raum für einen intensiven Austausch über die aktuelle Situation der Migrationsarbeit in Bonn.
Der Austausch fand in Form einer „lebenden Bibliothek“ statt: Besuchende „liehen“ sich für 15-30 Minuten ein Buch zum Lesen aus – mit dem Unterschied, dass bei dieser Veranstaltung die „Bücher“ keine Bücher, sondern echte Menschen waren und „lesen“ hier ein Gespräch mit dem „lebenden Buch“ bedeutete, an diesem Tag mit Berater*innen oder Klient*innen der Migrationsberatung.
Avisierte Kürzungen führen zum dramatischen Wegfall von Beratungskapazitäten
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland (BAFGW) will mit dem jährlichen Aktionstag auf die Bedeutung der Migrationsarbeit aufmerksam machen – in diesem Jahr aufgrund der geplanten Kürzungen umso dringender. Diese würden die etablierte Beratungslandschaft stark gefährden und damit auch erhebliche Auswirkungen auf die hilfesuchenden Zielgruppen, die Mitarbeitenden vor Ort und langfristig auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland haben.
Derzeit werden bundesweit 1.285 Einrichtungen der Migrationsberatung für Erwachsene mit 81,5 Mio. € gefördert. Eine Kürzung auf 57,5 Mio. € würde zum dramatischen Wegfall von mehr als einem Drittel der Beratungskapazitäten führen und könnte sogar Standortschließungen zur Folge haben. Eine drastische Kürzung droht ebenso den Jugendmigrationsdiensten (JMD), die deutschlandweit in 500 Einrichtungen mehr als 120.000 junge Menschen jährlich beraten und unterstützen. Hierbei sind die Programmbereiche „Respekt Coaches“ und die Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule akut von einer kompletten Streichung bedroht, bei den Regeldiensten wird über eine Kürzung in Höhe von 10 Mio. € gestritten.
Dabei verzeichnet die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE) aktuell einen steigenden Beratungsbedarf, das belegen Zahlen aus der Beratungsstatistik: Im Jahr 2022 wurden bundesweit 315.000 Beratungsfälle gezählt, einschließlich der 242.000 mitberatenen Familienangehörigen, also insgesamt 557.000 Personen. Diese Zahlen verdeutlichen die große Bedeutung der MBE für die Integration und Beratung von Zugewanderten.
Angesichts der steigenden Einwanderungszahlen nach Deutschland, insbesondere aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan, sowie der anhaltenden Migration von EU-Bürger*innen und (Arbeits-)Migrant*innen aus Drittstaaten, ist die MBE ein unverzichtbares Instrument, um neuen Einwander*innen eine qualitativ hochwertige Beratung und Unterstützung anzubieten.
Die Bonner Migrationsberatungsstellen betonen die Dringlichkeit, die Strukturen der MBE zu erhalten, um den steigenden Bedarf an Beratung und Integration angemessen bewältigen zu können. Ihre aktuellen Pläne stehen im Gegensatz zur Absicht der Bundesregierung, Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, sowie Integration und Fachkräftegewinnung zu fördern! Die vorgesehenen Kürzungen haben deutliche Einschränkungen zur Folge. Sie gefährden die qualitative Unterstützung von eingewanderten Menschen, die Begleitung und Stabilisierung ihrer sprachlichen Förderung, die Information über hiesige politische und behördliche Strukturen, die gute Vorbereitung auf die Annahme und den erfolgreichen Abschluss von Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten.
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgekosten dieses Sozialabbaus werden die beabsichtigten Einsparungen um ein Vielfaches übersteigen. In Bonn bedeutet dies konkret, dass für rund 700 Personen jährlich kein Beratungsangebot der Migrationsdienste mehr zur Verfügung stünde. Dies müssten die überlasteten Strukturen – Jobcenter, Wohnungsamt, Sozialamt, Familienbüro, Standesamt – auffangen. Sie wären dann vermehrt mit Klient*innen konfrontiert, die die Migrationsberatungsdienste nicht bereits entsprechend auf den jeweiligen Verwaltungsakt vorbereitet hätten.
Die Bonner Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste unterstützen die Forderung der BAGFW und appellieren an die Bundesregierung, die geplanten Kürzungen im Haushalt 2024 zu überdenken und die Mittelansätze für die MBE auf 89,2 Mio. € zu erhöhen, um Qualität und Kontinuität der Beratungsleistungen sicherzustellen.
(Eine Pressemitteilung der Caritas Bonn, Dr. Constanze Baumgart)